Testamentsauslegung: Wer erbt, wenn der eingesetzte Erbe stirbt? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen

Testamentsauslegung

In einem guten Testament oder Erbvertrag sind Ersatzerben bestimmt, dann erben diese, wenn die ursprünglich als Erbe vorgesehene Person wegfällt. Fehlen solche Ersatzerbenbestimmungen gibt es Auslegungsregeln im Gesetz (§ 2069 BGB), z.B. dass bei der Erbeinsetzung eines vorverstorbenen Kindes, dessen Kinder dann Ersatzerben werden.

Ansonsten kann langwierig und kostenintensiv darüber gestritten werden, wer Erbe wird, wie folgender Fall zeigt:

Eheleute, die keine gemeinsamen Kinder hatten, setzten sich in einem Erbvertrag gegenseitig zu Erben ein. Der Ehemann hatte ein Kind mit Enkelkind aus seiner ersten, geschiedenen Ehe.  Nach dem Tod des Längerlebenden sollte das Enkelkind zur Hälfte erben und ein Neffe der Ehefrau die andere Hälfte. Der Neffe verstarb aber vor dem Erbfall. Die Enkelin meinte nun Alleinerbin der 300.000 Euro werten Erbschaft zu sein. Das Oberlandesgericht München sah das anders. Die Münchener Richter legten den Erbvertrag so aus, dass der Neffe seine ganze Linie repräsentiert und so wurden seine Kinder zu Ersatzerben.

Das OLG München entschied:

1. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB kann nicht – auch nicht analog – angewandt werden, wenn der Erblasser nicht Abkömmlinge, sondern andere nahe Verwandte als Erben eingesetzt hat.
2. Gleichwohl ist in einem solchen Fall regelmäßig zu prüfen, ob im Wege der (ergänzenden) Auslegung ein entsprechender (hypothetischer) Wille des Erblassers für die Berufung der Kinder des nach Errichtung der letztwilligen Verfügung weggefallenen Verwandten festgestellt werden kann; die dafür notwendige Andeutung in der letztwilligen Verfügung kann in einem solchen Fall bereits in der Tatsache der Berufung des nahen Verwandten liegen.
3. Die Annahme des hypothetischen Willens zur Ersatzberufung der Kinder des eingesetzten Verwandten kann insbesondere dann nahe liegen, wenn Ehegatten in einem Erbvertrag jeweils einen Verwandten des Ehemannes und der Ehefrau als Schlusserben zu gleichen Teilen berufen und die eingesetzten Schlusserben zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung noch Kinder sind.

OLG München, Beschluss vom 6. 7. 2006 – 31 Wx 35/06

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