Baden-Württemberg: 13 Zentrale Grundbuchämter ersetzen Gemeinden

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13 Amtsgericht sind jetzt zentrale Grundbuchämter

Baden-Württemberg: Zentrale Grundbuchämter ersetzen Gemeinden. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Baden-Württemberg: Zentrale Grundbuchämter ersetzen Gemeinden

1. Die Reform der Grundbuchämter

In Baden-Württemberg wurde 2018 das Grundbuchwesen reformiert.  13 neu eingerichtete zentrale Grundbuchämter ersetzten die früheren 654 Grundbuchämter der Gemeinden. Der Katzenjammer in den Gemeinden war zum Teil groß. Protestaktionen kamen allerdings viel zu spät. Die Umstellung wurde über Jahre vorbereitet. Die gesetzlichen Grundlagen wurden bereits 2010 geschaffen.

Des Weiteren werden die Grundbücher digitalisiert. Die Altakten wurden im alten Salamander-Werk in Kornwestheim für ganz Baden-Württemberg eingelagert und werden bei Bedarf an die 13 Grundbuchämter mit einem landeseigenen Lieferdienst ausgeliefert. Neue Grundbücher werden von vornherein nur elektronisch angelegt.

Nebenbei bemerkt: Die ganze Justiz stellt in Baden-Württemberg auf elektronische Akten um. Das betrifft auch die Gerichtsakten bei den Gerichten. Hier gibt es Kritik: Was passiert, wenn der Strom ausfällt, haben dann alle Justizangestellten „stromfrei“? Und was, wenn Hacker im Auftrag von Kriminellen ganze Strafakten löschen? An einen Kriegsfall mit Zerstörung des gesamten elektronischen Datenbestandes – und sei es im Wege digitaler Kriegsführung- mag man gar nicht denken. Auch die richterliche Unabhängigkeit wird tangiert: Richter werden in ihren Arbeitszeiten überwachbar. Wenn sie die E-Akte öffnen, wird das natürlich zeitlich erfasst.

1.1 Das Ziel

Die Grundbuchführung soll bis zum 1. Januar 2018 von 654 kommunalen und staatlichen Behörden schrittweise auf die Grundbuchabteilungen von landesweit 13 Amtsgerichten übertragen werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reform ist die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Grundakte. Seit dem 1. Juli 2012 arbeiten alle zentralen Grundbuchämter mit der elektronischen Grundakte (elGA). Notare sind seither verpflichtet, neue Dokumente in Grundbuchsachen ausschließlich elektronisch zu übermitteln. Die Grundbuchämter bearbeiten die neu hinzukommenden Vorgänge vollelektronisch.

1.2 Die Papierakten

Der bisherige Bestand an Papierakten bleibt erhalten. Diese werden in Kooperation mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg an einem zentralen Standort im Land aufbewahrt, dem Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim. Diese Akten sind aber nach wie vor einsehbar. Natürlich werden die Dokumente nicht mit der Post geschickt, für den Transport wurde eigens ein Pendeldienst eingerichtet. So brauchen die Grundbuchämter keine Lagerflächen vorhalten.

1.3 Grundbucheinsichtsstellen in den Gemeinden

Um den Bürgern auch weiterhin die Möglichkeit zu gewährleisten, Einsicht in die elektronischen Grundbücher des Bezirks zu nehmen, haben viele Gemeinden eine Grundbucheinsichtsstelle eingerichtet. Doch die Interessierten müssen sich in Geduld üben. Denn bis alle Daten digitalisiert sind, kann es zu Verzögerungen kommen.

2. Entwicklung

In Baden-Württemberg gingen und gehen im Recht der Notariate die Uhren (noch bis 2018) anders als im Rest der Republik. Die Notare sind bzw. waren hier auch Grundbuchbeamte. Während in allen anderen Bundesländern die Grundbuchämter Abteilungen der Amtsgerichte sind (das Grundbuchamt ist also in Wirklichkeit kein Amt, sondern ein Gericht), waren die Grundbuchämter in Baden-Württemberg immer bei den Gemeinden untergebracht. Das war alles im baden-württembergischen Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (kurz LFGG) geregelt.

§ 26 LFGG (Einrichtung der Grundbuchämter)
(1) In jeder Gemeinde besteht ein Grundbuchamt.

§ 29 LFGG Besetzung und Gliederung
(1) Die Notare und die Notarvertreter (im Landesdienst) sind zugleich Grundbuchbeamte für die zum Notariatsbezirk gehörenden Grundbuchämter.

Daneben gab es in jeder Gemeinde einen Ratsschreiber. Der Ratschreiber vertrat den Notar als Grundbuchbeamten in der jeweiligen Gemeinde. Er konnte einfache Grundstückskauf- und tauschverträge beurkunden, wobei die Grundstücke natürlich im Grundbuchbezirk liegen müssen. Daneben kann er Unterschriften öffentlich beglaubigen.

Allerdings sieht § 26 LFGG in seinem dritten Absatz auch schon die Auflösung der gemeindlichen Grundbuchämter vor:

§ 26 Abs. 3 LFGG:  Zum Zwecke der Einführung des maschinell geführten Grundbuchs kann das Justizministerium durch Rechtsverordnung Grundbuchämter aufheben und ihren Bezirk einem anderen Grundbuchamt zuweisen, wenn das andere Grundbuchamt in einer Großen Kreisstadt oder in einer Gemeinde liegt, die Sitz eines Notariats oder einer ständigen Außenstelle eines Notariats ist.

2.1 Umstellung läuft

Derzeit läuft in Baden-Württemberg diese Neuordnung des Grundbuchwesens. Die Grundbuchämter der Gemeinden werden nach und nach aufgelöst. Im Zuge der Neuordnung des Grundbuchwesens werden die Grundbücher der Gemeinden vom Land Baden-Württemberg übernommen. Sitz der neuen Grundbuchbehörden sind jetzt die zuständigen Amtsgerichte – wie in allen anderen Grundbuchämtern auch.

2.2 Kritik

Damit endet eine oft mehrhundertjährige Geschichte gemeindeeigener Aufgaben. Kritik an der Aufhebung der kommunalen Grundbuchämter gibt es auch: Es geht viel Wissen vor Ort verloren. Tausende Ratschreiber kannten ihre Grundakten und die Gemarkung mit den örtlichen Besonderheiten aus dem Effeff. Das ist nun vorbei. Es werden neue Grundbuchämter mit neuen Mitarbeitern aus dem Boden gestampft, die teileweise erst geschult wurden und nicht über die Erfahrung der langjährigen Mitarbeiter verfügen. Es wird also schwere Jahre des Übergangs geben.

3. Beispiel Grundbuchamt Villingen-Schwenningen

Das neue Grundbuchamt des Amtsgerichtes Villingen-Schwenningen als zentrales Amt für drei Landkreise zuständig, nämlich den Schwarzwald-Baar-Kreis, den Landkreis Konstanz und den Landkreis Waldshut. Die Originalakten befinden sich aber nicht mehr in der Stadt, sondern in Kornwestheim in den ehemaligen Salamanderwerken.

Das neue Grundbuchamt ist in Villingen in der ehemaligen Welvertkaserne untergebracht. Auf insgesamt drei Stockwerken und 1400 Quadratmeter residiert das zentrale Grundbuchamt Villingen-Schwenningen, das Mitte 2012 eröffnet wurde. Mittlerweile arbeiten hier 16 Rechtspfleger und 14 Assistenzkräfte, die für die drei Landkreise Schwarzwald-Baar, Konstanz und Waldshut zuständig sind. Die Doppelstadt beherbergt eines von landesweit 13 zentralen Grundbuchämtern, die nach einer Reform 654 kommunale und staatliche Behörden ersetzen sollen. Die Reform soll Anfang 2018 abgeschlossen sein, bis dahin soll das Personal in Villingen-Schwenningen auf 35 Rechtspfleger und 18 Assistenzkräfte angewachsen sein. So stehen in den weitläufigen Fluren des alten Kasernengebäudes immer noch viele Büros leer.  Bis 2014 hat das zentrale Amt in der Doppelstadt die Aufgaben von 32 Gemeinden übernommen, bis zum Ende der Reform sollen es 70 sein.

Herzstück der Reform ist die Digitalisierung sämtlicher Grundbuchakten, die in ein landesweites System eingespeist werden – die neuen Vorgänge werden sowieso rein elektronisch geführt.  Problem: Viele Rechtspfleger kommen direkt nach einem dreijährigen Studium in Schwetzingen an die Grundbuchämter, ohne praktische Erfahrung. Da sind Reibungsverluste vorprogrammiert. Aufsehen erregte ein Erbfall, bei dem infolge Namensgleichheit des Verstorbenen beim Grundbuchamt Villingen-Schwenningen der Grundbesitz eines Namenszwillings, der mit dem Erbfall überhaupt nichts zu tun hatte, auf die Erben umgeschrieben wurde. Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen berichtet von 20 Beschwerden bei 27.000 Anträgen seit der Grundbuchreform.

Es geht auch viel Bürgernähe verloren: Die Arbeitsabläufe sind anders, der Bürger kann nicht mehr einfach auf das Amt und in einer Akte blättern. Die alten Akten müssten bei Bedarf im zentralen Archiv in Kornwestheim angefordert werden. Voraussetzung ist lediglich das Bestehen eines berechtigten Interesses. Digitalisiert werden nur die neuesten Einträge des Grundbuchs und dann fortlaufend aktualisiert. Diese Daten können natürlich auch eingesehen werden und zwar in vielen Gemeinden. Die meisten Gemeinden, die ihr Grundbuchamt aufgelöst haben, richten sogenannte Einsichtsstellen ein, um den Bürgerservice zu gewährleisten. So kann ein Brigachtaler oder Bad Dürrheimer auch künftig in seiner Heimatgemeinde seinen Grundbucheintrag anschauen, ohne nach Villingen fahren zu müssen. Wer aber im Grundbuchamt sein Anliegen vortragen möchte, kann dies vormittags von 9 bis 12 Uhr tun, das sind die offiziellen Besuchszeiten. Wenn es aber um eine alte Akte geht, die angefordert werden muss, ist eine telefonische Terminabsprache sinnvoll.

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