Böswillige Schenkung entgegen Berliner Testament oder Erbvertrag

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Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Villingen-Schwenningen, Rottweil, Radolfzell, Konstanz

1. Das Problem der böswilligen Schenkung

Wer einen Erbvertrag  errichtet hat, ist an die darin getroffenen erbvertraglichen Verfügungen von Todes wegen gebunden. Er  kann sie also ohne Zustimmung des Vertragspartners einseitig nicht mehr ändern.  Gleiches gilt beim gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten (Berliner Testament) nach dem Tod des Erstversterbenden für die sog. wechselbezüglichen Verfügungen.

Das heißt aber nicht, dass der Erblasser bzw. überlebende Ehegatte in seiner Freiheit, unter Lebenden zu verfügen, eingeschränkt würde. Das wird immer wieder irrtümlich vermutet. Trotz dieser Bindung kann der überlebende Ehegatte unter Lebenden frei verfügen, also Gegenstände seines Vermögens verbrauchen, verkaufen oder verschenken  Hier gilt das alte Rechtssprichwort: „Erst Sterben macht Erben.“ Der im Erbvertrag oder Ehegattentestament Bedachte hat nämlich vor dem Tod des Erblassers  noch keinerlei Rechte an dessen Vermögen.

Allerdings darf der Erblasser den bedachten Vertrags- bzw. Schlusserben nicht böswillig schädigen. Sein Vertragspartner (oder Ehegatte) hat ja darauf vertraut, dass der Bedachte die ihm zugedachte Erbenstellung (oder Vermächtnisgegenstände) erhält. Es liegt hier ein Interessenkonflikt zwischen der lebzeitigen Verfügungsfreiheit des Erblassers und dem Schutz des Vertrags- bzw. Schlusserben vor. Wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben oder Schlusserben zu schädigen, eine Schenkung macht, so kann der Vertragserbe / Schlusserbe nach dem Anfall der Erbschaft vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach Bereicherungsrecht verlangen.

2. Folgen der böswilligen Schenkung

Verschenkt der überlebende Ehegatte trotz dieser Bindung z.B. das Haus an das Lieblingskind hat das Konsequenzen. Grundsätzlich muss das beschenkte Kind das Haus an die Erben herausgeben. Das ist ein „Klassiker“ in unserer Praxis. Aber nicht nur Kinder trifft diese Rechtsfolge. Beispiel: Der überlebende Vater hat seiner zweiten Frau das Haus geschenkt, obwohl er im Berliner Testament mit seiner ersten Frau, das Kind als Schlusserbe eingesetzt hatte. Hier holen wir das Haus für das Schlusserbenkind zurück.

Aber: Da nach dem Gesetz „Bereicherungsrecht“ gilt, muss der Beschenkte nichts herausgeben, wenn zwischenzeitlich seine Bereicherung (also das Geschenk) „weggefallen“ ist. Andererseits haftet der Beschenkte bei „Bösgläubigkeit“ verschärft, d.h. kennt der Beschenkte die Schädigungsabsicht des Schenkers bei dem Empfang der Schenkung oder erfährt er sie später, kann er sich nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen und haftet auf Wertersatz in Geld.

Beachte: Allerdings muss der Beschenkte immer nur das herausgeben, was seinen eigenen Pflichteilsanspruch übersteigt. Den Pflichtteilswert darf er behalten.

Dieser Anspruch gegen den Beschenkten entsteht in der Person des Vertrags- bzw. Schlusserben und gehört nicht zum Nachlass. Mehreren Vertrags- bzw. Schlusserben steht der Anspruch als Bruchteilsgemeinschaft und nicht zur gesamten Hand zu. Jeder macht also seinen eigenen Anspruch selber geltend. Ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe nur zu einem Erbteil eingesetzt steht ihm auch nur ein entsprechender Teilanspruch zu.

3. Verjährung am dritten Todestag

Der Anspruch verjährt in drei Jahren nach dem Erbfall (Beachte: keine Silvesterverjährung!).

4. Vermächtnis

Gleiches gilt für ein erbvertragliches bzw. wechselbezügliches Vermächtnis. Hat der Erblasser in der Absicht, den Vermächtnisnehmer zu schädigen, den diesem vermachten Gegenstand einem anderen geschenkt, so hat der Vermächtnisnehmer gegen den Beschenkten einen gleichen Anspruch wie der Vertrags- bzw. Schlusserbe. Dieser Anspruch ist aber nachgelagert; d.h er muss zuerst gegen den Erben vorgehen und nur wenn er vom Erben nichts erlangen kann, kann er gegen den Beschenkten vorgehen (§ 2288 Abs. 2 S. 2 BGB).

5. Gab es ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung?

Eine Beeinträchtigungsabsicht im vorstehenden Sinne liegt aber dann nicht vor, wenn der Erblasser an der Schenkung ein sog. lebzeitiges Eigeninteresse hatte, dass der Vertrags- bzw. Schlusserbe anerkennen muss.

6. Fälle ohne lebzeitiges Eigeninteresse

Ein lebzeitiges Eigeninteresse liegt sicherlich nicht vor, wenn die Schenkung nur darauf abzielt, dass ein anderer als der Vertrags- bzw. Schlusserbe wesentliche Zuwendungen aus dem Vermögen des Erblassers ohne angemessene Gegenleistung erhält. Das ist immer der Fall, wenn der Erblasser durch die Schenkung das Berliner Testament „korrigieren“ will.  So hat der Bundesgerichtshof ein lebzeitiges Eigeninteresse für eine Schenkung des Erblassers an eines seiner beiden Kinder verneint, mit dem der Vater eine Gleichstellung zum anderen, bereits beschenkten Kind, erreichen wollte, weil der Erblasser seine Ehefrau schon vor der Schenkung erbvertraglich bindend zur Alleinerbin eingesetzt hatte. Die Absicht des Erblassers, durch lebzeitige Verfügung für eine Gleichbehandlung seiner Abkömmlinge zu sorgen, begründet also noch kein lebzeitiges Eigeninteresse (BGH, Urteil vom 29. 6. 2005 – IV ZR 56/04).

7. Voraussetzungen des lebzeitigen Eigeninteresses

Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann hingegen bejaht werden, wenn

  • nach Abschluss des Erbvertrages eine Änderung der Sachlage eingetreten ist
  • und wenn der erstrebte Zweck der Zuwendung nicht auch durch andere wirtschaftliche Maßnahmen als die Zuwendung zu erreichen gewesen wäre.

Ein lebzeitiges Eigeninteresse wurde vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 29. 6. 1973 – V ZR 187/71) zum Beispiel für einen Fall bejaht, in dem der Erblasser seine Ehefrau erbvertraglich zur Alleinerbin eingesetzt hatte, sich dann aber – ohne Scheidung – von ihr trennte und mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebte, der er als Anerkennung für geleistete und zukünftige Dienste und Pflege ein Hausgrundstück unter Vorbehalt des eigenen Wohnrechts übertrug.

8. Keine beeinträchtigende Schenkung, wenn Betreuungs- und Hilfsdienste vom Beschenkten  geleistet wurden 

Frage:

Meine Eltern haben sich in einem Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und mich und meinen Bruder zu je 1/2 zu Schlusserben. Nachdem mein Vater gestorben ist, hat unsere Mutter das Haus meinem Bruder geschenkt, ohne dass Gegenleistungen wie z.B. Wart und Pflege vereinbart wurden. Liegt hier eine mich in meiner Erberwartung beeinträchtigende Schenkung im Sinne von § 2287 BGB vor, so dass ich die eine Grundstückshälfte von meinem Bruder herausverlangen kann?

Antwort:

Grundsätzlich ja. Das gilt aber nicht, wenn Ihre Mutter ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung an Ihren Bruder hatte. Wie der BGH (in einer Art „Gebrauchsanweisung für Schenker und Beschenkte“) kürzlich entschieden hat kann ein lebzeitiges Eigeninteresse an einer Schenkung auch dann vorliegen, wenn der Beschenkte

  • ohne Rechtspflicht (!!!)
  • Leistungen – etwa zur Betreuung im weiteren Sinne – erbracht hat
  • Leistungen erbringt
  • Leistungen in der Zukunft erbringen will.

Solche Leistungen können z.B. sein Winterdienst, Gartenpflege mit Rasenmähen, Heckenschnitt etc., die monatliche Fahrt zum Großeinkauf im Zeitraum von z.B. 14 Jahren, das wöchentliche Besorgen des Haushalts (Putzen, Staubsaugen, Betten abziehen) nach einer Erkrankung des Erblassers, wöchentliche Einkäufe und Botengänge, die Übernahme sämtlicher Fahrtdienste.

Bei der Übernahme einer rechtlichen Verpflichtung zu Gegenleistungen handelt es sich – so der BGH völlig zu Recht – bereits nicht mehr um eine Schenkung i. S. des § 2287 Absatz 1 BGB. Dann liegt ein entgeltliches Geschäft vor und keine Schenkung, die bei Böswilligkeit herausgegeben werden müsste.

Der BGH geht auch darauf ein, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand anzunehmen ist. Es ist auch möglich, dass das lebzeitige Eigeninteresse  lediglich einen Teil der Schenkung rechtfertigt. Dann ist für diesen Teil ein Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht ausgeschlossen. Hier kann sich dann die Frage stellen, ob der Schlusserbe Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages verlangen kann, bis zu dem er die Schenkung akzeptieren muss, oder er nur Zahlung des Betrages verlangen kann, der dem Teilwert der Schenkung entspricht? Diese Frage ist entsprechend den Grundsätzen zu beantworten, die für die gemischte Schenkung entwickelt wurden. Das geschenkte Grundstück kann hiernach nur bei entsprechender Zug-um-Zug-Leistung herausverlangt werden, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei ist allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der vom Beschenkten erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen. Vielmehr hat auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass Leistungen noch in Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen.

Tipp:

Lesen Sie den Beschluss des BGH vom 26. 10. 2011, BGH 26.10.2011 – IV ZR 72/11 – abgedruckt in ZEV 2012, 37

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