BGH V BLW 36/50 Kündigung eines Pachtverhältnisses durch Erbengemeinschaft sei keine Verfügung – Beschluss vom 30.1.1951. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

BGH V BLW 36/50 Kündigung eines Pachtverhältnisses durch Erbengemeinschaft sei keine Verfügung – Beschluss vom 30.1.1951

Dieser nur schwer zugängliche Beschluss des BGH wurde hier eingestellt, weil er für die Rechtsprechung des BGH zum Recht der Erbengemeinschaft wonach eine Kündigung eine Verwaltungsmaßnahme der Erbengemeinschaft darstellen kann von großer Bedeutung ist. 

30.1.1951: BGH V BLw 36/50, Beschl.  

„Für das Nachschlagewerk!

Berichterstatter: Bundesrichter Doktor Hückinghaus

Gesetz: BGB § 2040, 2038, 745, RPschO §§ 3 Abs. 2, 6, MilRegVO Nr. 84 Art. VII Z. 21 c.

 

Rechtssatz:

 

I. Die Kündigung eines Pachtvertrages über eine landwirtschaftliche Besitzung seitens einer Erbengemeinschaft als Verpächterin stellt keine Verfügung über einen Nachlassgegenstand dar, sondern ist eine Verwaltungshandlung im Sinne des § 2038 BGB. Die Kündigung erfordert daher nicht die Mitwirkung aller Miterben, sondern kann nach § 745 BGB von der Mehrheit der Miterben beschlossen werden.

 

II. Die Tatsache, dass erfahrungsgemäß mit jedem Wirtschafterwechsel eine mindestens vorübergehende Ertragsminderung verbunden ist, steht der Beendigung eines Pachtverhältnisses nicht entgegen, wenn in absehbarer Zeit ohnehin ein Wechsel in der Bewirtschaftung des Hofes eintreten muss.

 

III. Pachtschutz kann unter dem Gesichtspunkt einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung versagt werden, wenn bei einem im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehenden Ho ein Teil der Miterben wegen erheblicher Notlage auf eine Realisierung seiner Erbanteile durch Veräußerung des Hofes und seine Überführung in Alleineigentum angewiesen ist und keine triftigen Gründe für eine Verlängerung des Pachtverhältnisses vorliegen.

 

IV. Wird dem Pächter eines Hofes gegenüber einer wirksamen Kündigung der Pachtschutz versagt, so kann ihm das Gericht – von den Fällen des § 6 RPSchO abgesehen – nicht aus einen Billigkeitsgründen eine Übergangsfrist zur Abwicklung des Pachtverhältnisses gewähren.

Aktenzeichen: V BLw 36/50

 

Beschluss vom 30.01.1951

 

OLG Schleswig

 

V BLw 36/50

 

Beschluss

 

In der Landwirtschaftssache

Landwirt Johannes St… in M… bei N… i. H…,

Pächters, Beschwerdegegners und Rechtsbeschwerdeführers,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr.… in N… i.H.,

gegen

1. den Landwirt Franz S… sen. in M…

2. die Ehefrau Margarete B…. geb. S… in  Sch…

3. den Landwirt Franz S… jun. in M…, z.Zt. kriegsvermisst, vertreten durch seinen zu 1) genannten Vater als Abwesenheitspfleger,

4. die Witwe Lilli F… geb. Wi… in K…

5. den Minderjährigen Ahrend F…, Vertreten durch seine zu 4) genannte Mutter,

6. die Ehefrau Lieselotte Si… geb. F….,

Verpächter, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdegegner,

vertreten zu 1) bis 3) durch Rechtsanwalt… in…,

zu 4) bis 6) durch Rechtsanwalt Dr.… in…

hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes als Senat

 

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für Landwirtschaftssachen in der Sitzung vom 30.01.1951 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Professor Doktor Pritsch, der Bundesrichter Dr. Hückinghaus und Dr. Tasche sowie der Obersten Landwirtschaftsrichter Mohr und Ernst beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Pächters gegen den Beschluss des 3.  Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 28.03.1950 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Pächter auferlegt. Eine Erstattung der außerhalb des Rechtsbeschwerdeverfahrens entstandenen Kosten findet nicht statt.

 

Gründe:

 

Der im Jahre 1920 verstorbene Bauer Friedrich L war Eigentümer eines etwa 60 ha großen Hof des in M… Diesen haben seine Erben im Jahre 1921 zu einem jährlichen Pachtzins von 5024 M bis zum 01.02.1928 an den Landwirt Johannes St verpachtet. Nach Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer ist das Pachtverhältnis fortgesetzt wurden. Der Pächter bewirtschaftet den Hof noch immer.

 

Am 30.07.1949 hat der Landwirt I den Pachtvertrag telegrafisch namens der Erben L zu Ende Januar 1950 gekündigt. Diese Kündigung hat der Rechtsanwalt Dr. … an dem selben Tage im Auftrage des Landwirts I schriftlich unter Bestätigung des Telegramms wiederholt und zur Erläuterung dieses Schrittes mitgeteilt, die mit Erben seien sich darüber

 

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einig geworden, die Erbengemeinschaft hinsichtlich des Besitzes in M auseinanderzusetzen zu diesem Zwecke müsse der Hof veräußert und der Pachtvertrag gekündigt werden. Die Kündigung habe I der gleichzeitig der für diesen Besitz örtlich eingesetzte Treuhänder sei, übernommen.

 

Der Pächter hat daraufhin beantragt, die Kündigung für unwirksam zu erklären und gegebenenfalls die Vertragsdauer auf angemessene Zeit festzusetzen. Er hat geltend gemacht, die Kündigung bezwecke nicht etwa die Selbstbewirtschaftung des Hofes durch ein Mitglied der Erbengemeinschaft, sondern die Erzielung eines höheren Pachtzinses oder die Veräußerung der Besitzung zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Durch die Beendigung des Pachtverhältnisses würde er seine wirtschaftliche Lebensgrundlage verlieren, da er bereits 70 Jahre alt sei und sich daher keine neue Existenz schaffen könne. Die Beendigung des Pachtverhältnisses würde für ihn nach einer Pachtzeit von 30 Jahren auch eine unbillige Härte bedeuten.

 

Die Verpächter haben um Zurückweisung des Pachtschutz Antrages des Pächters gebeten und die Kündigung damit gerechtfertigt, dass sich die Miterbin Si und ihre Familie sowie die Ehefrau  und ihr Sohn in einer erheblichen Notlage befänden, da die Familie Si ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage eingebüßt habe und sich in Absatzseite 4

 

Dänemark als volksdeutsche Familie keine neue Existenz gründen könne und die Familie F ihren Ernährer verloren habe. Die Erbengemeinschaft beabsichtige deshalb, den Hof künftig durch Frau Si wirtschaften zu lassen und zugleich die erbt Auseinandersetzung herbeizuführen.

 

Das Landwirtschaftsgericht hat die Kündigung der Verpächter für unwirksam erklärt.

 

Gegen diese Entscheidung haben die Verpächter sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Versagung des nachgesuchten Pachtschutz des erstrebten.

 

Der Pächter hat um Zurückweisung des Rechtsmittels gebeten und in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens geltend gemacht, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, denn I sei nur zum Treuhänder für den Erbanteil der Miterbin Si bestellt worden und habe daher nicht namens der übrigen Miterben handeln können. Die Miterben S hätten von der Kündigung keine Kenntnis gehabt. Insbesondere habe der Miterbe Franz S jun. bei der Kündigung nicht mitgewirkt, da er kriegsvermisst und damals noch kein Abwesenheitspfleger für ihn bestellt gewesen sei.

 

Das Oberlandesgericht hat den angefochtenen Beschluss dahin abgeändert, dass das Pachtverhältnis zum 01.02.1951 endige. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es ausgeführt, der nunmehr auf unbestimmte Zeit laufende Pachtvertrag sei von I wirksam gekündigt worden, denn er habe die Kündigung namens der

 

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Erbengemeinschaft ausgesprochen. Aller Miterben bis auf Franz S. jun., für den damals noch kein Abwesenheitspfleger bestellt gewesen sei, hätten von der Absicht I, den Pachtvertrag zu kündigen, Kenntnis gehabt und seien mit diesem Vorgehen einverstanden gewesen. Dass Franz S. jun. Bei der Kündigung nicht mitgewirkt habe, sei bedeutungslos, da sein erbt Anteil weniger als 1 / 2 betrage und da hier die Stimmenmehrheit der übrigen Erben zur Kündigung genügt habe. Die Verpächter erstrebten die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, die nun schon seit 30 Jahren bestehe. Ihre Auflöung müsse gefördert werden, zumal da die Bewirtschaftung des Hofes durch einen selbst wirtschaftenden Eigentümer zu erstreben sei. Das gelte umso mehr, als 3 Miterben, die zusammen an dem Nachlass zu 1 / 2 beteiligt seien, ihren Erbanteil wegen der Notlage, in der sie sich befänden, dringend benötigten. Die Interessen dieser Miterben seien für sie von entscheidender Bedeutung und stellten einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Demgegenüber müssten die Interessen des Pächters zurücktreten. Schon die lange Dauer des Pachtverhältnisses gebiete seine Beendigung und spreche nicht etwa gegen das Rückgabeverlangen der Verpächter. Der Pächter steht zudem in einem Alter, in dem es üblich sei, die Wirtschaft in jüngere Hände zu legen. Wenn der Pächter, wie er behaupte, durch die Währungsreform einen Vermögensverlust erlitten habe, so könne dies eine Verlängerung

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des Vertrages nicht rechtfertigen, denn es sei nicht Sache der Verpächter, diesen Schaden des Pächters zu tragen, der nach der Währungsumstellung noch 2 Ernten gehabt habe, Eigentümer eines städtischen Grundstücks sei und verwertbares Überinventar besitzen dürfte. Da auch seine Kinder versorgt seien, bestehe kein Anlass zu einer Pachtverlängerung. Das 30 jährige Pachtverhältnis könne allerdings nicht innerhalb eines halben Jahres aufgelöst werden. Eine Übergangsfrist von einem Jahre reiche aber aus. Die Kündigung der Verpächter sei da hier als zum 01.02.1951 wirksam anzusehen.

Die Rechtsbeschwerde wendet sich in erster Linie gegen die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass das Pachtverhältnis zum 01.02.1950 wirksam gekündigt worden sei. Sie gibt in dieser Hinsicht, dass das Beschwerdegericht den Landwirt I als eingesetzten Treuhänder angesehen habe, während er erstens als Bevollmächtigter der Eheleute Si gehandelt habe. Die Rechtsbeschwerde meint, diese Feststellung des Oberlandesgerichts beruhe auf einer Gesetzesverletzung. Ihr ist zuzugeben, dass das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung ausgeführt hat, wegen der dänischen Staatsangehörigkeit der an der Erbengemeinschaft beteiligten Ehefrau Sievers sei der Landwirt I aufgrund des MilReg Ges Nr. 52 als überwachende Treuhänder von der Militärregierung eingesetzt worden. Diese tatsächliche Feststellung des Oberlandesgerichts irrig ist,

 

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kann dahingestellt bleiben, denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf ihr. Das Beschwerdegericht hat es nämlich dahingestellt sein lassen, ob dem Landwirt I in seiner Rechtsstellung als überwachende Treuhänder die Befugnis zur Kündigung des Pachtvertrages zugestanden habe. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass I die Kündigung jedenfalls zugleich im Namen der Erbengemeinschaft ausgesprochen habe. Diese Feststellung steht mit dem Inhalt des Kündigungstelegramms in Einklang und ist auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen worden.

 

Das Oberlandesgericht hat in tatsächlicher Hinsicht ferner festgestellt, dass die mit Erben – Franz S. jun. ausgenommen – von der Absicht des Landwirts I, das Pachtverhältnis für die Erbengemeinschaft zu kündigen, Kenntnis gehabt haben und mit dieser Kündigung einverstanden gewesen sind. Diese Feststellungen hat das Oberlandesgericht aufgrund der Anhörung der Miterben in der mündlichen Verhandlung getroffen. Die Rechtsbeschwerde greift auch diese Feststellungen an. Sie stellt insoweit lediglich Behauptungen auf, die nicht ausreichen, um darzutun, dass diese Feststellungen in verfahrensrechtlich zu beanstandender Weise getroffen worden sind.

Die Rechtsbeschwerde leitet die Unwirksamkeit der Kündigung und vor allem auch daraus her, dass diese ohne Zustimmung des Miterben Franz S. jun. erfolgt sei. Er ist zuzugeben, dass dieser nicht in die

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Kündigung eingewilligt hatte, da er kriegsvermisst ist und ein Abwesenheitspfleger für ihn damals noch nicht bestellt war. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe die Vorschrift des § 2040 BGB übersehen, die eine Mitwirkung sämtlicher mit Erben erfordere, kann aber nicht beigetreten werden. § 2040 BGB handelt von der Verfügung über einen Nachlassgegenstand. Um eine solche hat es sich bei der Kündigung nicht gehandelt, denn hier wurde nicht über den Hof als einen Teil des Nachlasses verfügt, vielmehr sollte lediglich das bezüglich dieses Nachlassgegenstandes bestehende Pachtverhältnis beendet werden. Die Kündigung stellt daher nur eine Verwaltungshandlung im Sinne des § 2038 BGB dar, der ausdrücklich den § 745 BGB für anwendbar erklärt. Nach dieser Vorschrift können Verwaltungshandlungen mit Stimmenmehrheit beschlossen werden. Das Oberlandesgericht hat danach seine Entscheidung mit Recht auf § 745 BGB gestützt und die Zustimmung des Franz S. jun. Zur Kündigung als nicht erforderlich angesehen, da diesem nur 3 / 16 des Nachlasses zu verstehen und die übrigen mit Erben mit der Auflösung des Pachtverhältnisses einverstanden waren. Der nach § 581 Abs. 2, 568 BGB auf unbestimmte Zeit laufende Pachtvertrag ist nach alledem gemäß § 595 BGB wirksam zum 01.02.1950 gekündigt worden. …“

 

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